Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 (1988)

VALIE EXPORT, Elfriede Jelinek

VALIE EXPORTs Film Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 zeigt Elfriede Jelinek, die sich die Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ ansieht und diese kommentiert.

EXPORT präsentiert Jelinek als Zuseherin, als Beobachterin des Tagesgeschehens, das bereits durch die Medien gefiltert ist. Jelinek ist jedoch nicht nur Fernsehzuseherin, sondern sie ist selbst Sprecherin, die die medial präsentierten Bilder kommentiert und durch Wiederholung einzelner Sätze Distanz erzeugt. EXPORT bringt durch ihren Film eine zusätzliche Ebene ein, der/die ZuschauerIn sieht das Tagesgeschehen in doppelt kommentierter Form: durch die Nachrichtensendung und durch die Autorin. Katharina Pewny, Professorin für Performance an der Universität Gent, befasst sich in ihrem Aufsatz IMPORT EXPORT JELINEK. Einleitende Bemerkungen zu VALIE EXPORTS „Elfriede Jelinek. News from Home. 18.8.88“ mit dem im Film erzeugten „Kommentar des Kommentars“:

Das Filmen des inszenierten Fernsehens wird in News from Home zum „interme­dialen expansiven Prozess“ und kann keinesfalls mehr mit einer Dokumentation von Wirklichkeit verwechselt werden. Damit ist auch „Zusehen“ kein passives Aufnehmen vorgefertigter Bilder und Inhalte mehr, sondern muss als Tätigkeit gesehen werden, die unterschiedlich gefüllt werden kann. Elfriede Jelineks Insze­nierung als Zuseherin wird durch das Kommentieren ergänzt und tritt als Hand­lung, als Akt des Auswählens und Bedeutung-Gebens, ins Bewusstsein1: Durch den „Kommentar des Kommentars“ entspinnt sich ein Diskurs, der „in“ den Zuse­henden fortgesetzt werden kann (das ist eine Facette der oben genannten „Politik der Vorstellung“): Der Akt des Zusehens tritt an die Stelle, an der vormals der künstlerische Schöpfungsakt stand.

Um die „Politik der Vorstellung“ – dessen nämlich, was sich die Zusehenden vor­stellen – soll es zum Abschluss gehen. Ich stelle mir vor, dass VALIE EXPORT, Kamerafrau und Regisseurin, sich schräg hinter der Kamera befindet, denn Jelinek blickt wiederholt an ihr vorbei. Ich stelle mir vor, dass Jelineks „home“ zum kol­lektiven „Home“ wird, denn viele Zusehende sehen News from Home. Jelinek selbst wird darin – stelle ich mir vor – zur idealen imaginären Dialog- oder genauer Mo­nologpartnerin: Sie spricht aus, was ich (und viele andere) sich denken könnten: Die Politik der Vorstellung von News from Home, so erschafft, stelle ich mir vor, die „imagined community“ der kritisch-intellektuellen Österreicher/innen (analog zu Benedict Andersons „imagined community“).

aus: Katharina Pewny: IMPORT EXPORT JELINEK. Einleitende Bemerkungen zu VALIE EXPORTS „Elfriede Jelinek. News from Home. 18.8.88“. In: Janke, Pia (Hg.): Elfriede Jelinek: „ICH WILL KEIN THEATER“. Mediale Überschreitungen. Wien: Praesens Verlag 2007 (= DISKURSE.KONTEXTE.IMPULSE 3), S. 365-373, S. 370-371.


Anmerkungen

1 Man könnte dies mit Judith Butlers Theorie der performativen Kraft des Sprechaktes in Verbindung bringen. Butler, Judith: Excitable Speech. A Politics of the Performative. New York: Routledge 1997.